Leben wie Gott in Frankreich

Religionsfreiheit bedeutet viel: die Freiheit, die eigene Religion frei wählen zu können, aber auch die Freiheit, genau das bleiben zu lassen und sich für den Atheismus oder Agnostizismus zu entscheiden. Religionsfreiheit heißt aus unserer Sicht außerdem, dass die Religionen ihre Angelegenheiten zwar frei regeln können, der Staat selbst frei aber von Religion ist, diese also nicht vorgibt oder eine Bestimmte bevorzugt. Religionsfreiheit beinhaltet aus unserer Sicht also immer auch Laizismus. Das heißt, wir stehen für eine strikte Trennung von Staat und Religion. Das ist keine religions- oder kirchenfeindliche Position. Gläubige können, genauso wie Atheist_innen und Agnostiker_innen, Laizist_innen sein. Die Trennung von Kirche und Religion ist in der Bundesrepublik, also auch in Sachsen, nicht einmal ansatzweise umgesetzt. Zum Glück lässt sich auch in Sachsen viel in dieser Hinsicht tun, da das Bundesland die Kirchensteuer erhebt, wesentliche Teile der Bildungspolitik verantwortet und über finanzielle Mittel verfügt. Frankreich ist seit der Französischen Revolution ein weitgehend laizistischer Staat, Sachsen bis heute nicht. Wir wollen Staat und Kirche deshalb auch in Sachsen endlich trennen und ein seit Jahrhunderten überlebtes Relikt, welches die enge Verbindung von Staat und Kirche darstellt, überwinden. Dabei stehen die Kirchen solchen Projekten mittlerweile nicht mehr geschlossen feindselig gegenüber, die Bremse sind in diesem Fall tatsächlich die meisten politischen Parteien

Religionsunterricht in der Schule

Vonseiten des Staats organisierte Bildung sollte einerseits Einblicke in verschiedene Weltanschauungen und Glaubensmodelle ermöglichen, dabei jedoch andererseits selbst eine Position strikter Neutralität einnehmen. Der Staat darf vorstellen, nicht jedoch bewerben. Durch diese Neutralität stellen wir außerdem sicher, dass eine Gleichbehandlung verschiedener Glaubensrichtungen garantiert wird. Wir wollen auch deshalb den konfessionellen Religionsunterricht abschaffen. Der Religionsunterricht soll durch ein konfessionsneutrales ethisch-philosophisches Fach für alle Schüler_innen ersetzt werden, in dem auch über die Religionen gesprochen und diskutiert werden kann. Das stellt zum einen tatsächlich sicher, dass ein echter Austausch zwischen den verschiedenen Gläubigen, aber auch mit Nichtgläubigen stattfindet. Zum anderen beendet es den massiven Einfluss der Kirchen auf die Personalauswahl bei den Lehrer_innen. Bisher können die Kirchen nach eigenem Gutdünken bestimmen, wer unterrichten darf und wer nicht. Dabei dürfen sich Kirchen erlauben, was andere Arbeitgeber_innen zu Recht nicht dürfen – beispielsweise Menschen aufgrund ihrer Sexualität ein Unterrichtsverbot erteilen. Jedoch soll auch Religionslosigkeit, Atheismus oder Agnostizismus im konfessionsneutralen Fach behandelt werden. Schaut man* in den derzeitigen Ethikunterricht, findet man* hierzu zumeist nichts.

Religionswissenschaft statt Theologie

Ähnliches trifft auf das Fach Theologie zu. An den Universitäten ist mit der Religionswissenschaft bereits ein konfessionsneutraler Studiengang zum Thema vorhanden. Neben all den Problemen, die die Theologie zudem mit dem Religionsunterricht gemeinsam hat, ist die Theologie ihrem Sinn und Zweck nach vor allem die Ausbildung von Kirchenangestellten, weniger der Wissenschaft. Der Staat finanziert hier also ganz direkt die Ausbildung von Personal für wohlhabende Kirchen. Wir sind der Auffassung, dass diese ihr Personal selbst ausbilden können, aber auch selbst bezahlen sollten. Schließlich können Gewerkschaften und Umweltverbände ihre Personalausbildung auch nicht einfach vom Staat finanzieren lassen.

Neutrale Mildtätigkeit bei Subventionen

Neben der Kirchensteuer, der Bezahlung von Angestellten der Kirchen und den Staatsleistungen werden viele Projekte der Kirchen vonseiten des Staats subventioniert. Außerdem sind vielerorts Kirchen oder andere Religionsgemeinschaften Träger von eigentlich staatlichen und damit der Neutralität verpflichteten Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindertagesstätten. Das ist keineswegs eine großmütige „Wohltat“ der Kirchen, sondern wird finanziell fast komplett vom Staat getragen. Da an vielen Orten aufgrund der langjährigen Sonderstellung von Religionsgemeinschaften jedoch gar keine konfessionsneutralen Träger zur Verfügung stehen, möchten wir diese Dominanz schrittweise aufheben. Dass Einrichtungen zur Pflege, Fürsorge, aber auch Krankenhäuser vielfach in konfessionsgebundener Trägerschaft sind, ist insofern problematisch, dass Menschen nur Leistungen zugestanden werden, wenn diese dem karitativen Selbstverständnis der Einrichtung entsprechen. Wir wollen, dass es grundsätzlich möglich bleibt, dass gute Projekte kirchlicher Träger oder der Kirchen selbst Unterstützung erhalten können. Allerdings wollen wir die überproportionale Bevorzugung der Kirchen beseitigen. Dazu schlagen wir die Verwendung eines Kriterienkatalogs vor, nach dem bei gleicher Eignung konfessionsneutrale Träger bevorzugt werden.

Keine Beeinflussung an öffentlichen Einrichtungen

Wir lehnen religiöse Symbole an Universitäten, in Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen ab. Das Anbringen solcher Symbole ist ein Verwaltungsakt staatlicher Behörden, der die Neutralitätspflicht stark verletzt. Wir sind jedoch zugleich der Auffassung, dass Angestellte im öffentlichen Dienst, auch im Bildungssektor, religiöse Symbole wie ein Kopftuch oder Kreuz tragen dürfen. Der Staat besteht nicht nur aus seinen Organen und Gebäuden, sondern auch aus Menschen. Deren Individualität gänzlich einzustampfen halten wir für gefährlich. Wenn jemand zum Beispiel ein Kopftuch, eine Kette mit Kreuz oder eine Kippa trägt, verletzt dies nicht die konfessionelle Neutralität einer Behörde oder einer Institution, da diese religiösen Symbole aus privaten Gründen getragen werden und nicht aufgrund einer Anordnung staatlicherseits.

Kirchensteuer und Staatsleistungen

In vielen Ländern wäre es undenkbar, dass Religionsgemeinschaften und Kirchen direkt vom Staat finanziert werden oder, wie bei der Kirchensteuer, der Staat sich als Dienstleister der Kirchen aufstellt und deren Einnahmen einzieht. Die direkte Finanzierung der Kirchen ergibt sich aus Staatsleistungen, die seit dem sogenannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803 an die Kirchen gezahlt werden. Ursprünglich sollten diese Zahlungen Entschädigungsleistungen sein, nachdem kirchliches Eigentum, vor allem Grund und Boden, säkularisiert worden war. Im Sinne der Trennung von Kirche und Staat wollen wir, dass der Staat weder direkt noch indirekt die Kirchen finanziert. Zur Frage der Staatsleistungen gibt es mittlerweile aus den Kirchen selbst ebenfalls Signale, dass man* diese einstellen könnte. Nicht zuletzt ist es seit der Weimarer Verfassung von 1919 ein Verfassungsauftrag, diese Zahlungen einzustellen. Jedoch wurde bisher nie ernsthaft versucht, diesen Auftrag zu erfüllen.

Gefangene auf Erden: Kirchenaustritt erleichtern

In der Bundesrepublik kann man* erst im Alter von 14 Jahren aus der Kirche austreten, da man* erst zu diesem Zeitpunkt offiziell religionsmündig ist. Andererseits kann man* bereits mit der Geburt Mitglied der Kirche werden, ohne gefragt zu werden. Wer in jedem Alter Mitglied einer Religionsgemeinschaft werden kann, muss logischerweise auch austreten können, wann sie oder er möchte. Außerdem finden wir die an ein Alter gebundene Religionsmündigkeit völlig willkürlich. Wir wollen außerdem, wie es bereits in Berlin umgesetzt ist, die in Sachsen erhobene Verwaltungsgebühr abschaffen.

Kein Streikrecht? Ich glaub, ich spinne!

Wir wollen, dass die Kirchen sich an die gleichen arbeitsrechtlichen Bedingungen halten müssen wie andere Arbeitgeber_innen auch. Derzeit können die Kirchen Menschen die Einstellung verweigern oder diese kündigen, wenn sie nicht nach christlichen Moralvorstellungen leben, also etwa nicht heterosexuell sind oder sich irgendwann mal haben scheiden lassen. Kirchliche Angestellte dürfen außerdem nicht streiken.

Feiertage und Tanzverbot

Feiertage sind freie Tage und für die meisten Menschen deshalb schöne Tage. Ein großer Teil der freien, aber auch der nicht freien Feiertage haben einen christlich-religiösen Ursprung. In Sachsen sind das neun von elf Feiertagen. Für viele Menschen spielt der christliche Bezug keine Rolle mehr, für gläubige Christen hingegen schon. Wir wollen, dass die Menschen diese Tage verbringen können, wie sie es möchten. So wie niemand am 24. Dezember dazu verpflichtet werden kann, einen Tannenbaum aufzustellen oder Dinge zu verschenken, darf es Menschen nicht verboten sein, an Feiertagen nach ihrer Façon selig oder glücklich zu werden. Die Anzahl der Feiertage variiert zwischen den Bundesländern. Bayern hat – wer hätte das gedacht – beispielsweise mehr Feiertage, als Sachsen. Wir fordern eine zahlenmäßige Angleichung der Feiertage in den Bundesländern sowie eine Hybridlösung bei der Ausgestaltung der Feiertage. Es soll demnach weiterhin die Möglichkeit bestehen, religiöse Feiertage zu verbringen. Jedoch sollen diese dem Glauben nach frei gewählt werden und nicht explizit christlich sein. Wir fordern gleichzeitig einige religiöse Feiertage durch säkulare zu ersetzen. Das führt dazu, dass Gläubige weiterhin ihrem Glauben an bestimmten Tagen nachkommen können, wichtige säkulare Ereignisse, wie beispielsweise der 8. Mai jedoch ebenfalls als Feiertag stattfinden können. Eine völlige Individualisierung und damit Partikularisierung von Feiertagen, also dass jede_r frei wählt, wann Feiertag ist und wann nicht lehnen wir ab, da so die Zeit, die Feiertage zum Beispiel für kollektives Erinnern oder kollektives miteinander Zeit verbringen herbeiführen, nicht mehr gegeben ist, wenn alle ihr eigenes Ding machen. Tanzverbote, die es in Sachsen an insgesamt vier Tagen gibt, betrachten wir als einen Anachronismus. Niemandem darf das Beten, aber auch niemandem das Tanzen untersagt werden.

Wir fordern

  • Abschaffung des Buß- und Bettags, des Reformationstags und Himmelfahrttags als gesetzliche Feiertage und Einführung säkularer gesetzlicher Feiertage, z. B. des 08. Mai als Tag der Befreiung, des 8. März als Internationaler Frauen*tag und des 10. Dezember als Tag der Menschenrechte
  • Abschaffung des Tanzverbots
  • Ende der Kirchenfinanzierung durch den Staat. Das heißt unter anderem: Erhöhung der Verwaltungsgebühren für die Einziehung der Kirchensteuer sowie der Kappungsgrenze
  • Perspektivisch: Gänzliche Einstellung der Staatsleistungen an die Kirchen
  • Finanzierung der Ausbildung und Beschäftigung ihrer Angestellten durch die Kirche selbst
  • Kündigung des Staatsvertrags mit den Neuverhandlung bis zu den nötigen Veränderungen auf Bundesebene
  • Kostenlose Austrittsberechtigung für jedes Kirchenmitglied
  • Kirchenmitglied kann man* nur auf eigenen Wunsch werden und nicht durch Entscheidung anderer wie bei der Taufe
  • Gleiches Arbeitsrecht, Streikrecht und Diskriminierungsschutz für Kirchenangestellte
  • Einstellung jeder staatlichen Unterstützung für religiöse Projekte, wenn diese bestimmte Vorgaben nicht erfüllen
  • Abschaffung einer an ein Alter gebundenen Religionsmündigkeit
  • Abschaffung des Studiums der Theologie
  • Abschaffung von Religionsbeauftragten