Antifaschismus bedeutet für uns das konsequente Eintreten gegen alle menschenverachtenden Ideologien wie Neofaschismus, Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und alle anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Antifaschismus bedeutet für uns zugleich das Eintreten für eine emanzipierte Gesellschaft, in der sich alle Menschen soweit verwirklichen können, dass sie dabei die Selbstverwirklichung Anderer nicht negativ beeinflussen. Doch mit Nazis in unserer Mitte funktioniert das nicht. Warum es aus unserer Perspektive gerade in Sachsen mehr antifaschistisches Engagement braucht? Weil Sachsen ein besonderes Problem mit einem aggressiven Rassismus, einer gut organisierten Neonazi-Szene und der schwachen staatlichen Reaktionsfähigkeit auf rechte Mobilisierungen und Gewalt hat. Bereits seit dem Ende der DDR fassten Neonazis in Sachsen Fuß und bauten Strukturen auf. Die NPD war über zehn Jahre lang mit einer Fraktion im Sächsischen Landtag vertreten und das Terrornetzwerk „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) hatte in Sachsen seine Basis und ein breites Unterstützungsumfeld.

„Antifaschismus“ oder „Antifa“ wird gegenwärtig von Akteur_innen des gesamten konservativen Spektrums als ein politischer Kampfbegriff verwendet, um Proteste, widerständige Praxen und verschiedene Aktionsformen zu delegitimieren. Verschiedenste linksradikale und autonome Gruppen werden von rechts unter „Antifa e.V.“ zusammengefasst, was bedeuten soll, dass diese verschiedenen Gruppierungen angeblich zentral gesteuert und koordiniert werden. Diese Auffassung ist an Blödheit nicht zu überbieten.

Ideologien benennen, statt von Extremismus quatschen

Neonazis werden häufig auch als „Rechtsextremisten“ bezeichnet. Diese Bezeichnung lehnen wir ab. Denn die Konstruktion des „politischen Extremismus“ stellt der angeblich von problematischen Denkmustern befreiten „Mitte der Gesellschaft“ verschiedene Extremismen entgegen, die dann wahlweise als Rechts-, Links- oder Ausländerextremismus bezeichnet werden. Dabei wird oft verschleiert, dass auch die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ Denkmuster wie Antisemitismus, Nationalismus, Rassismus und andere diskriminierende Einstellungen pflegt. Kritik an Nazis ist deshalb auch immer Gesellschaftskritik. Die jetzige deutsche Gesellschaft hat ein starkes Ordnungs- und Ausgrenzungsdenken, das guten Nährboden für die Ideologien der Nazis bietet.

Gegen Angstzonen im ländlichen Raum

Auch wenn in der DDR, die sich als ein antifaschistischer Staat verstand, Faschismus und Nazismus öffentlich diskreditiert waren, war in der Bevölkerung nazistisches und menschenverachtendes Gedankengut dennoch vorhanden, was sich z. B. in den Übergriffen auf Vertragsarbeiter_innen und deren Unterkünfte äußerte. Die offizielle Erzählung jedoch lautete stets, dass es keinen Rassismus und Neonazismus in der DDR gab. Spätestens seit der Wende können in Sachsen flächendeckende Nazistrukturen wieder offen agieren. Durch den von der Politik der sächsischen CDU forcierten Abbau der Infrastruktur sowie Kürzungen der kulturellen Angebote bietet der ländliche Raum Menschen keine Bleibeperspektive und garantiert keine gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe. Junge, mobile, gebildete und meist aus akademischen Haushalten kommende Menschen wandern häufig in Richtung der Großstädte ab, während diese Perspektive vielen jungen Leuten aus Arbeiter_innenfamilien nach wie vor verwehrt bleibt. Damit wird der ländliche Raum immer älter und zurückbleibende junge Menschen sind mit kultureller Verarmung und Perspektivlosigkeit ihrer Wohnorte konfrontiert. Solche tristen Orte führen häufig dazu, dass Jugendliche sich aus Mangel an Alternativen Gruppen anschließen, in denen radikales, antidemokratisches und menschenverachtendes Gedankengut verbreitet wird. Wenn viele Menschen von einem Ort wegziehen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch kritische Stimmen bei den Gesprächen am Arbeitsplatz oder im Supermarkt fehlen und sich damit die vorhandenen Ressentiments und Stereotype, z. B. in Bezug auf Migrant_innen und Asylsuchende, wie in einer Echokammer verstärken und entsprechend auf das Wahlverhalten auswirken können.. Besonders der ländliche Raum ist zur Angstzone für Menschen mit anderen religiösen, sexuellen, politischen Vorstellungen oder anderer Herkunft geworden. Innerhalb dieser Angstzonen ist eine freie Bewegung und Entfaltung ohne Angst – und oftmals auch ohne die reelle Gefahr von Übergriffen – nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass antifaschistisches Handeln und die Entfaltung von alternativen Jugendkulturen vielerorts erschwert oder aufgrund der Kürzungen von Geldmitteln sowie die damit einhergehende Schließung von Jugendzentren (Danke, CDU!) sogar verunmöglicht wird. Oftmals spielen Verantwortliche und Behörden die Probleme mit rechten und menschenverachtenden Einstellungen herunter und verharmlosen diese, statt sie aktiv anzugehen. Rechte Bürgermeister_innen wirken sogar aktiv daran mit, links-alternative Jugendzentren zu schließen. Hier ist das Land Sachsen in der Pflicht, nicht nur kritische Öffentlichkeit und Dokumentationsarbeit zu ermöglichen und zu finanzieren, sondern entschieden gegen jegliches menschenverachtende Gedankengut vorzugehen. Dazu soll auch eine gemeinsam genutzte Datenbank für das Land Sachsen bereitgestellt werden, in der entsprechende rechtsmotivierte Übergriffe und Vorfälle zusammengefasst werden.

Konkrete antifaschistische Arbeit vor Ort

Antifa ist Handarbeit! Sie beginnt meist direkt vor der eigenen Haustür in den sächsischen Kommunen. Diese müssen proaktive Unterstützung des Landes bekommen, um Naziaufmärsche, -konzerte oder Häuserkäufe durch rechte Gruppen zu verhindern. Dazu gehört auch die lokale Gedenkkultur kritisch zu beleuchten. Es braucht flächendeckend Historiker*innenkommissionen, die die Vergangenheit, kulturelle Überbleibsel oder Traditionen im ganzen Land hinterfragen. Dadurch sollten bspw. kritische Benennungen von Straßen, Gebäuden oder auch Ehrenbürger*innenschaften bspw. nach und von Nazis konsequent entfernt werden. Auf Landesebene ist ein Entschädigungsfond für die Opfer des NSU oder generell rechter Gewalt nötig. Außerdem muss an den Hochschulen mehr Geld für Forschung zu Faschismus bereitgestellt werden.

Menschenfeindlichkeit mit allen Mitteln bekämpfen

Wir sind der Überzeugung, dass sich Menschenfeindlichkeit nicht verbieten lässt. Verbote sind letztlich bestenfalls nur ein institutionelles Feigenblatt damit nichts gegen die nazistische Ideologie dahinter unternommen wird und verursachen schlimmstenfalls mehr rechte Untergrundorganisationen wie den NSU. Dennoch darf solches Gedankengut nicht mit staatlichen Geldern gefördert werden, weshalb wir für eine Streichung jeglicher Fördermittel für reaktionäre und faschistische Parteien wie der AfD, dem Dritten Weg oder den Freien Sachsen einstehen. Letztlich ist uns jedoch klar: Der antifaschistische Kampf kann nur auf der Straße und im Alltag gewonnen werden und das Parlament bildet nur den derzeitigen Punktestand ab. Denn nicht nur Naziparteien in den Parlamenten, sondern auch viele außerhalb des Parlaments agierende Netzwerke, Strukturen der sogenannten Neuen Rechten, Freie Kameradschaften, Protestbündnisse gegen Asylsuchende und nicht zuletzt Pegida oder Querdenken als Katalysator für nationalistische und rechtspopulistische Stimmungsmache verdeutlichen die neue Qualität völkischen und rassistischen Denkens und Handelns in Sachsen, das tief in der sächsischen Bevölkerung verwurzelt zu sein scheint. Neonazis entsprechen bei Weitem nicht mehr dem alten Bild des Bomberjacke und Springerstiefel tragenden, einfältigen Glatzkopfs. Die Vertreter_innen der Identitären Bewegung sind oft gut gebildet, geben sich gern jung und hip und setzen vor allem auf medienwirksame Inszenierungen, die sie über Social Media verbreiten. Die Ein-Prozent-Bewegung ist hingegen die „erwachsene“ Entsprechung hierzu, kommt aus dem Umfeld von Götz Kubitschek und des von ihm verantworteten Instituts für Staatspolitik und setzt vor allem auf seriöses Auftreten. Auch die zutiefst rassistische AfD rühmt sich damit, den größten Akademisierungsanteil von allen Parteien zu haben. Das zeigt, dass Neonazis und ihre Ideologie kein abgeschlossenes, eng umgrenztes Etwas sind, sondern inhaltlich, organisatorisch, personell, aber auch was Stil und Sprache angeht, Anknüpfungspunkte an zahlreiche nicht explizit nazistische Zusammenhänge besitzen. Diese gilt es bei der Auseinandersetzung mit Nazis stärker in den Blick zu nehmen.

Antisemitismus bekämpfen

Antisemitismus ist ein fester Bestandteil nazistischer Ideologie und auch in der Gesellschaft weit verbreitet. Mit dem Wissen über die deutsche Barbarei, also über den industriellen Massenmord an Jüd_innen in der Shoa, gilt es jeglicher Form von Antisemitismus den Kampf anzusagen. Antisemitismus äußert sich heute wie damals über eine den Jüd_innen zugewiesene Sündenbockrolle sowie eine Verkürzung und Vereinfachung der kapitalistischen Gesamtverhältnisse auf einzelne Personen oder vermeintliche Strippenzieher_innen. Diese Unterscheidung in sogenanntes schaffendes und raffendes Kapital ist mit einer emanzipatorischen Kapitalismuskritik unvereinbar. In unserer Zeit äußert sich Antisemitismus oftmals auch in abstrusen Verschwörungsideologien, die im Kern immer versuchen die Welt einfach zu erklären indem irgendeine geheime Macht hinter allem steckt. Die Identifizierung dieser Macht als jüdisch ist dann entweder offensichtlich wie bei Rothschild oder wird durch neonazistische Chiffren wie einer Krake ausgedrückt. Der moderne Antisemitismus zeigt sich zudem meist in Hass, der z.B. wie 2019 in Halle gesehen zu Gewalt führt. Antisemitismus resultiert auch in grundsätzliche Ablehnung gegenüber dem jüdischen Staat Israel. Da dieser Staat jedoch notwendiger Schutzraum für vom Antisemitismus Verfolgte ist, lehnen wir eine Zusammenarbeit mit antizionistischen Gruppen ab.

Keine Verdrehung der Geschichte

Faschismus wird in der Bundesrepublik berechtigterweise hauptsächlich mit Verbrechen des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Immer wieder tauchen jedoch Verdrehungen der Geschichte und Verharmlosungen des Nationalsozialismus auf. Diese finden sich nicht nur in Neonazikreisen, sondern zum Teil auch in gesellschaftlich anerkannten Vereinen. Dazu gehören auch revanchistische Gruppen wie der „Bund der Vertriebenen“, die Gebietsansprüche geltend machen wollen. Solchen Forderungen und Formen des Geschichtsrevisionismus widersprechen wir vehement. Ebenso entschieden lehnen wir eine Gleichsetzung des Nationalsozialismus mit der DDR ab.

Wir fordern:

  • Mittels Bildungsarbeit weit verbreiteten Ressentiments stärker kritisch entgegenarbeiten, statt auf Moralisierung und erhobene Zeigefinger setzen
  • NSU-Komplex und rassistische Taten mit lokalem Bezug verpflichtend in der schulischen Bildung verankern
  • Erhalt, Förderung und Ausbau von kulturellen und antifaschistischen Freiräumen als Teil der Jugendbildung
  • Intensive Unterstützung antifaschistischer sowie links-alternativer Projekte, Initiativen und Bündnisse durch die Politik
  • Stärkung und Förderung von Kultur- und Demokratieprojekten sowie den Projekten zur politischen Bildung, Neonazismusprävention und Aussteiger*innenprogramme
  • Keine staatliche Unterstützung von antidemokratischen (Haus)Projekten
  • Keine Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen mit rechten Organisationen wie der Identitären Bewegung, der Ein-Prozent-Bewegung und keine Besucherfahrten von Schüler_innen zu den Abgeordneten der AfD als sogenannte politische Bildung
  • Stärkung und Unterstützung für Beratungsstellen für Opfer rassistischer und Neonazigewalt
  • konsequentes Verfolgen und Ahnden von Delikten die den Nationalsozialismus verherrlichen oder relativieren, wie das Zeigen von Hitlergrüßen oder die Leugnung des Holocaust
  • Schaffung von staatlichen Stellen und Ansprechpartner_innen in Kommunen für Prävention und Aufklärung über Neonazismus und verschwörungstheoretische Ideologien wie z. B. die der Reichsbürger_innen
  • Entschädigungsfonds für NSU-Opfer und generell Opfer rassistischer Gewalt
  • Durchführung von Schulungen in den kommunalen Organen wie Verwaltungen, Ortsbeiräten, Ämtern, Polizeistellen, Ordnungsämtern, um diese Organe für Neonazismus und seine Artikulationen, z. B. Material und Sticker von vorhandenen rechten Bewegungen und Strukturen, zu sensibilisieren
  • Fortbildungen für Vereine, (Jugend)Initiativen aber auch Lehrkräfte an Schulen und Ausbildungsstätten hinsichtlich des menschenverachtenden Gedankenguts, Neonazisymboliken, Symboliken der Identitären Bewegung und Co. sowie des Umgangs mit diesen
  • Schaffung und Förderung von Begegnungsstätten zwischen Einwohner_innen und Migrant_innen, um Ressentiments und Stereotype abzubauen
  • Regionenförderung und keine weiteren Kürzungen der Infrastruktur, um Abdriften der ländlichen Regionen in die Perspektivlosigkeit zu beenden
  • Nicht nur den Neonazismus bekämpfen, sondern auch alle anderen diskriminierenden und ausgrenzenden Denkmuster und Einstellungen wie Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus und seinen „kleinen Bruder“ Ethnopluralismus, Sexismus, Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit
  • Differenzierte antifaschistische Gedenkkultur und Geschichtspolitik jenseits der Totalitarismustheorie und zwar konkret durch Umbenennungen und ähnliches
  • Abschaffung der „Extremismusklausel“